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Dieser Artikel wurde in der Fachzeitschrift "Haflinger aktuell" Ausgabe Mai/Juni 98 Seite 14-15 veröffentlicht

Abenteuerritt mit "Leuchte"
220 Kilometer mit einer 20jährigen Haflingerstute von Fulda bis nach Kaub am Rhein

Begonnen hatte alles ganz harmlos: Eine Freundschaft nach Fulda bildete den Grundstock zu der Idee, eine besondere Reise in Angriff zu nehmen. Wer konnte ahnen, dass der Spagat übers Motorradfahren zu einem Abenteuer der besonderen Art führen sollte? Durch einen glücklichen Umstand erhielten wir einen Crewfahrer, der diesmal das Zweirad gegen ein pferdetaugliches Fuhrwerk eintauschte. Ein Chevrolet-Pickup samt Wohnmobilaufbau und ein Pferdehänger wurden von oben bis unten mit Proviant und Futter vollgepackt und für die Abende Versorgungspunkte abgesrochen. Welche Zwischenfälle uns noch blühen sollten, wusste zu dieser Zeit noch niemand...

Nicht immer waren die Überraschungen angenehmer Art - bereits der Start brachte unliebsame Umplanungen. Meine Vollblutaraberstute hatte als Überbleibsel eines Neoprensattelgurt-Testes einen schmerzhaften Gurtdruck und war nicht mehr mit Sattel zu reiten. Kurzerhand entschloss ich mich, ohne Sattel und lediglich mit einem Westernpad mein Pferd fortzubewegen. Der Star unserer Tour, "Leuchte", die tapfere und willensstarke Haflingerstute, durfte trotz ihres stolzen Alters von 20 Lenzen an der Reise teilnehmen. Die vier weiteren Warmblutstuten waren erheblich jünger, im Alter von fünf bis acht Jahren. Ein Teilstück der Strecke brachte uns weitere Gesellschaft von zwei Trakehnern namens "Nibantos" und "Estopa", wobei der Wallach mit 22 Jahren nicht mehr zu den Joungstern zu zählen war.

Unsere Haflingerdame blickt auf eine wilde Jugent zurück. Sie lebte seinerzeit bei einem Bauern, der wenig Zeit für das Tier erübrigte. Ein Junge aus der Nachbarschaft machte sich dies zunutze und sattelte ab und an das gutmütige Tier, um in wildem Galopp das Hofgelände zu verlassen. Es wundert nicht, dass als Untugent hieraus die Angewohnheit bei "Leuchte" blieb, stets mindestens im Trab vorwärts zu gehen. Konnte es auch langsam gehen? Stefanie, die die Stute stets ritt, hatte auch bei der langen Tour ihre liebe Not, und manchmal taten ihr die Hände vom andauernden Zügelhalten ziemlich weh. Wenn die Menschen manchmal nur wüssten, was sie den Tieren mit ihrem Geschwindigkeitswahn antun.

Die Aufteilung der Gesamtstrecke ergab ein Tagespensum von ca. 30 Kilometern, das wir absolvieren mussten, um immer einen Spielraum von mindestens einem Tag zu haben, falls etwas Unvorhergesehendes dazwischen kommen sollte. Der Brüder-Grimm-Weg führte uns in die erste Nacht. Diese verbrachten wir romantisch in der Nähe eines Segelflugplatzes neben der Waldsiedlung von Busenborn. Eine Weide mit Haflingern sollte in der zweiten Nacht die Rundkulisse in Bellensheim darstellen. Unsere Hafistute bekam bei dem Anblick grosse Augen - Artgenossen!

In Pfaffenwiesbach fanden wir spät am dritten Tag ein Quartier in der Nähe des Reitvereins. Nach dem Aufstehen am Morgen begrüsste uns eine verblüffte Pferdeherde, die wie im Wilden Westen auf dem Hügel stehenblieb, um die Eindringlinge zu begutachten. Eine kleine Verletzung zählte an diesem Tag ebenfalls zu den Geschehnissen. Meine Stute hatte in der Nacht keine Ruhe gegeben und immer wieder die anderen Pferde genervt, so lange, bis eine Stut sich erbarmte und durch einen gezielten Schlag gegen ihre Brust dem Treiben ein Ende setzte. Eine dicke Beule verschönerte ihre Front und ließ sie etwas vorsichtiger werden.

Der europäische Fernwanderweg Nr.1 brachte uns im Norden von Bad Homburg vor der Höhe zu dem Römerkastell "Saalburg", ein alter Wehrbau am Limes. Als die Pförtner am Museum das bunte Reitervolk sah, fragte er uns, ob wir nicht Lust hätten, ein Foto von den Pferden in der Anlage aufzunehmen. Diese Frage konnten wir nur begeistert bejahen. Das Stelldichein vor der römischen Kulisse bereitete uns einen Heidenspaß und wurde am Schloß anschließend mit einem Eis am Stiel belohnt. Für die Führung durch das Museum wollten wir aber etwas mehr Zeit opfern und verspachen, zu einem späteren Termin zurückzukehren. Unser Wanderweg brachte uns oft Kontakte zu freundlichen Spaziergängern, die wegen unserer legeren Aufmachung große Augen machten. "Wohin des Weges?" - "Von Fulda nach Kaub!" - "Oh, da habt ihr aber noch eine weite Reise vor euch..."

Die Route ließ uns am Fuße des Feldberges entlangtraben und auf gut angelegten Wegen konnten wir einen Blick auf die sehenswürdigen Naturschönheiten werfen.

Gleich neben Glashütten fanden unsere Pferde auf der Weide eines freundlichen Bauern einen ruhigen Nachtplatz. Wir bauten uns eine Biergarnitur auf und ließen uns das Vespermahl schmecken. Ein Schluck Bier am Abend mundet ausgezeichnet, wenn die Tiere versorgt sind und die Ruhe sich unter den Pionieren breit macht.

Unser Weg dirigierte uns im Norden an Wiesbaden vorbei, und wir entdeckten im Wald das Jagtschloß Platte. Der Gedanke von Johann Isaak Ffhr. von Gerning: "Freundlich schimmert das Auge die weithin schaunde Platte, wo der Besucher sich gern in Betrachtung verliert. Südlicher Anmut voll ist hier in italienischen Reizen, Allemanias Land hier zu den Füßen gestreut" paßte gut zu den hochsommerlichen Eindruck, den uns der Anblick bot. Die Besichtigung des Schlosses war obligatorisch - wer sagt, dass das mit dem Pferd nicht möglich ist. Immer fand sich ein Freiwilliger aus der Reihe der Reiter, der sich für die Pferde verantwortlich fühlte. Die Rösser nutzten die Pausen, um wieder neue Kraft zu schöpfen. An einem Waldparkplatz erwartete uns bereits unser treuer Troßfahrer Harry und hatte eine leckere Zwischenmalzeit vorbereitet. Was wäre eine anstrengende Tour ohne die fleißigen Helfer, die einem das Leben wieder leicht machen. Er opferte eine Woche seines Urlaubs, um uns die schönste Woche des Jahres noch schöner werden zu lassen!

Nicht immer verlief unsere Mittagspause so angenehm: An einem Stop hatten wir den Paddock für dir Pferde aufgebaut, Wasser an einer Quelle entdeckt und es uns im Schatten gut gehen lassen, als eine aufegrachte Frau mit ihrer kleinen Tochter im Schlepptau uns wutentbrannt anfuhr, was wir hier zu suchen hätten. Das Mißverständnis war rasch aufgeklährt: Als wir einen Anwohner nach einer Wiese gefragt hatten, war das leider nicht der Besitzer gewesen, sondern nur ein nicht so positiv gesonnener Mitbürger, der sich mit uns einen Scherz erlaubt hatte. Wir mussten rasch alle sieben Sachen zusammenpacken und das Weite suche.

Ein Übernachtungsplatz in der Nähe eines Appaloosa-Gestütes brachte uns neue Erkenntnisse in Sachen Homöopathie und einen unbeabsichtigten Stromschlag an einem Weidezaungerät. Der Übernachtungsplatz neben dem Gestüt war der schönste der gesammten Tour, gelegen am Waldrand direkt auf einer Anhöhe.

Als nächster Troßpunkt war der Ort Seitenhahn an der "Eisernen Hand" von Günter (genannt "Günni", unser Tourorganisator) auserkoren worden. Wir hatten für Notfälle zwei Handy's eingepackt und immer zur Mittagszeit verabredet, dass wir sie einschalten. Einmal mussten wir davon Gebrauch machen, als wir unser Gespann partout nicht finden konnten. Hundert Meter entfernt stand Harry hinter einer grossen Hecke für uns nicht erkennbar und starrte sich schier die Augen aus dem Kopf. Es lebe die Technik, wenn sie hilfreich ist.

Auf der Hälfte der Strecke ereilte unsere tapfere Haflingerstute das Schicksal. Bei einem so langen Ritt stellt sich oft heraus, dass das Material nicht hält, was es verspricht. Der Sattel begann zu drücken und der Gurt zu scheuern. Sie hatte während der Woche einige Kilos an Gewicht verloren, und das edle Westernteil wurde ihr zu groß. Steffi zog sofort dir Konsequenzen und sattelte ab, um es mir und meinem Pferd gleichzutun. Ihr Westernpad tat gute Dienste auch ohne zugehörigen Sattel. Sie bewies an diesem ersten Tag, dass sie auch auf blankem Pferderücken sattelfest ist. Eine Mitreiterin wollte es ihr nachahmen, fiel aber bei einem kurzen Galopp bergauf von ihrem Vierbeiner. Nach einer kurzen Untersuchung aller wichtigen Körperteile und ein paar Tränen ging es aber mit ihr wieder aufwärts.

Weiter gings vorbei an Schlangenbad über einen steilen Abstieg zur Straße. Ein kleiner Stadtrundritt offenbarte uns die Schönheiten dieses Bäderortes. Immer wieder fanden wir auf unserer Reise in den Orten alte Brunnen, die den Pferden die Möglichkeit gaben, Wasser aufzunehmen. Aber auch freundliche Hausfrauen füllten ihre Wassereimer, um fehlende Brunnen auszugleichen. Der Rheinhöhenweg brachte uns an die Ritterreiche bei Hausen v.d.H., und entlang der Hügelgräber fanden wir schattenspendende Bäume.

In Presberg trafen wir eine junge Dame mit ihrem Vollblutaraberhengst, die ihrem Pferd Grundbegriffe der Erziehung beibrachte. Das Tier freute sich beim Anblick der Stuten so sehr, doch leider wurde ihm von ihnen nicht gewährt, wonach es sich so sehnte.

Ausgedehnte Wälder stellten unseren Orientierungssinn zu guter Letzt noch einmal auf eine harte Probe. Nach neun Tagen hatten wir das Ziel unserer Träume erreicht: Das Vollblutarabergestüt Kaub/Rhein öffnete uns seine Pforten, und die Freunde des arabischen Pferdes unter uns konnten ihrer Leidenschaft frönen. Für unsere treuen Vierbeiner bedeutete dieser Abend Abschied nehmen. Nach einem gemütlichen Beisammensein und der letzten gemeinsamen Nacht trafen zwei weitere Pferdehänger ein, um die reiselustigen wieder retour in die Heimat zu bringen. Unser Abenteuer bleibt uns als einmaliges Erlebnis in guter Erinnerung und wir hoffen, irgendwann wieder Zeit zu finden, uns auf ein weiteres eizulassen.

Author: Ramona Dünisch

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